Wo ist Afrika? gibt Einblicke in die Afrika-Sammlungen des Linden-Museums.
Die Ausstellung wurde 2019 von Dr. Sandra Ferracuti mit der Absicht kuratiert, sich historisch, ästhetisch und kritisch mit dem komplexen Begriff „afrikanischer Kultur“ auseinanderzusetzen. Die Ausstellung zeigt anhand ausgesuchter Beispiele, wie die Sammlungen entstanden, wie sie sich entwickelten und wie sie im Wandel der Geschichte unterschiedlich präsentiert wurden.
Geschichten des Sammelns
Die Ausstellung bedient sich dabei unterschiedlicher thematischer und historischer Perspektiven, wobei die Provenienzforschung kolonialzeitlicher Objekte ebenso thematisiert wird wie die zeitgenössische Kultur und Kunstproduktion in Afrika. Wie wurden ethnografische Sammlungen zur Kolonialzeit angeeignet? Woher kommen die Objekte, wer waren ihre „Sammler“, und wie wurden kulturelle Erzeugnisse Afrikas in der Ausstellung präsentiert? Welche Themen und Fragestellungen sind in den letzten Jahren wichtiger geworden? Wie spricht man über Artefakte, die eigentlich gar nicht öffentlich gesehen werden dürfen? Oder über solche, die gewaltsam geraubt und geplündert wurden?
Kulturelle Praxis: Verflechtungen und Beziehungen
Ein starker Schwerpunkt der Ausstellung liegt darin, Afrika mit all seinen Verflechtungen, Verbindungen und Beziehungen – weit über den Kontinent hinaus – darzustellen, und wie diese Beziehungen sich in der kulturellen Praxis äußern. Schönheitspflege, Tischgepflogenheiten, Erinnerungstechniken, höfische Zeremonien, wichtige Gegenstände für diplomatische Beziehungen, Maskentänze – diese und zahlreiche weitere Themen werden mit ausgesuchten Objekten thematisiert. Ein großer Teil der gezeigten Gegenstände stammt aus Kamerun, dem Kongobecken, Mosambik, Nigeria und Tansania und wurde während des „Wettlaufs um Afrika“ Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesammelt.
Zugleich feiert die Ausstellung die Gegenwartskultur Afrikas – die globale Vernetzung städtischen Alltags, die transkontinentale Expertise und Mobilität von Bildhauern und Glasmeistern, die kulturelle Vielfalt moderner afrikanischer Kunst. Wo ist Afrika? untersucht, welche Geschichte und Geschichten den Objekten eingeschrieben sind und wofür sie heute stehen (können).
Kooperationen und permanenter Wandel
Wo ist Afrika? verfolgt einen prozessorientierten Ansatz, der die alleinige Deutungshoheit des Museums hinterfragt, eine Vielzahl an parallelen Erzählungen präsentiert und wichtige Fragen an unser heutiges gesellschaftliches Zusammenleben stellt. So wurde die Ausstellung gemeinsam mit dem Advisory Board for the Representation of Africa Collections (ABRAC) sowie Kulturschaffenden und Künstler:innen in Afrika und der Diaspora entwickelt und bietet Raum für vielfältige Perspektiven, auch mit dafür eigens beauftragten Kunstwerken.
Die Ausstellung wird kontinuierlich vom Afrika-Referat und seinen Kooperationspartner:innen verändert. Sie vermittelt so auch neuere Entwicklungen wie aktuelle Forschungserkenntnisse, Restitutionsprozesse und Kollaborationsprojekte.
Ayeeya: Großmutter / Ogbuejo: Die Geschichte eines Flötenspielers
Interventionen von Kausar Qasim und Sett Ofili
Das Depot des Linden-Museum Stuttgart ist nicht nur ein Ort der Lagerung, sondern auch ein potenzieller Raum für Geschichten, Erinnerungen und kreative Erfahrungen. Zwei Mitglieder der Black Community in Stuttgart besuchten das Depot, erkundeten die Afrika-Sammlung und ließen sich zur Intervention in der Dauerausstellung Wo ist Afrika? inspirieren. Kausar Qasim erforscht ihre Familiengeschichte in Somalia und verbindet sie mit Objekten wie Mörser und Stößel, die Symbole für Fürsorge werden. Sett Ofili erzählt in einer Soundinstallation die Geschichte eines Flötenspielers, die die Zuhörer:innen auf eine vielschichtige Reise mitnimmt. Diese persönlichen und künstlerischen Beiträge zeigen die Vielfalt der Perspektiven, die durch einen sensiblen Umgang mit Museumssammlungen entstehen können.