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Forschung und Kooperation sind für uns von zentraler Bedeutung. Wir forschen zu Sammlungsbeständen, ihren Inhalten und Kontexten genauso wie zu Fragen der gesellschaftlichen Relevanz eines ethnologischen Museums.
Die Vernetzung und der interdisziplinäre Austausch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, Wissenschaftler:innen sowie Vertreter:innen von Herkunftsgesellschaften weltweit spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Das Linden-Museum Stuttgart und das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) starten zum 1. November 2025 ein Projekt zur Erforschung von kamerunischem Kulturerbe in Deutschland. Untersucht werden wichtige Bestände in den fünf größten ethnografischen Museen, dem Linden-Museum Stuttgart, dem Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) mit den Museen in Leipzig und Dresden sowie dem Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK).
Im Mittelpunkt stehen Kulturgüter von vier kamerunischen Communities, den Bakoko, Bamum, Duala und Maka, deren Erbe während der deutschen Kolonialzeit (1884-1919) in diese Sammlungen gelangte. Ziel des Forschungsprojekts ist es, kulturell zusammengehörige Objekte in den verschiedenen Institutionen zu identifizieren und so ihre Geschichte nachzeichnen zu können. Damit soll auch die Grundlage für eventuelle Rückgaben geschaffen werden.
Das Projekt wird mit fast 1 Million Euro vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert, läuft über drei Jahre und konzentriert sich auf rund 500 königliche bzw. Machtobjekte wie Throne, Zepter oder Schwerter – Symbole der Souveränität, die den Herkunftsgemeinschaften von den deutschen Kolonisatoren genommen worden war. Im Austausch mit Expert:innen aus den kamerunischen Communities und Forscher:innnen der Universität Dschang, der Universität Bertoua und dem Nationalmuseum von Kamerun soll die Herkunft der Gegenstände rekonstruiert werden. Die Perspektiven und die Erzählungen der Menschen in Kamerun spielen dabei eine wichtige Rolle: In „Community Hubs“, also lokalen Treffpunkten in Duala, Fumban, Edea und Atok, sollen feste Orte des Dialogs etabliert werden, damit auch Nachkommen nicht-königlicher Familien zu Wort kommen. Zum Abschluss des Projektes sollen die Ergebnisse zudem nicht in Stuttgart, sondern in Kamerun selbst präsentiert werden, um Menschen vor Ort den Zugang zu ermöglichen.
Dieser „Community-orientierte“ Ansatz geht nicht vom Handeln der (europäischen) „Sammler“, sondern von den Herkunftsgemeinschaften aus und stellt deren Erfahrungen in den Mittelpunkt. Aus dem Projekt sollen eine fotografische Datenbank und ein mehrsprachiges Begleitbuch zu den Objekten entstehen. Forschungsergebnisse und Fotos werden online veröffentlicht. Die Ergebnisse bilden die inhaltliche Grundlage einer großen Ausstellung, die im Rahmen eines Nachfolgeprojekts im Linden-Museum und in Kamerun gezeigt werden soll.
Die deutsche Kolonialzeit auf dem Gebiet des heutigen Kameruns dauerte von 1884- 1919 und war von Unterdrückung und Gewaltexzessen gegen die Bevölkerung geprägt, in deren Folge es unter anderem zu Plünderungen kam. Insgesamt sind heute mehr als 40.000 Objekte aus Kamerun in deutschen Museen aufbewahrt, ein großer Teil gelangte durch gewaltsame Aneignung während der Kolonialzeit dorthin und wurde bislang kaum wissenschaftlich aufgearbeitet. Mit mehr als 8.000 Objekten besitzt das Linden-Museum Stuttgart die größte Sammlung kamerunischer Kulturgüter in Deutschland, obwohl etwa die Hälfte in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde.
Michael Franz, ständiger Vertreter des Vorstands des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: „Als Förderinstitution gehen wir mit diesem Projekt neue Wege: Beteiligt sind nicht nur die größten ethnologischen Museen in Deutschland, sondern vor allem eine Vielzahl von Akteur:innen aus Kamerun – darunter sind Vertreter:innen großer staatlicher Institutionen ebenso wie Expert:innen aus den Communities und lokale Autoritäten. Unser Anliegen ist, eine breite Beteiligung der Menschen zu ermöglichen, denen Objekte einst entzogen wurden, und damit künftige Rückgabeprozesse zu erleichtern. Das Projekt hat aus unserer Sicht Pilotcharakter und wir hoffen, dass es auch auf andere Institutionen im In- und Ausland ausstrahlen wird.“
Inés de Castro, Direktorin des Linden-Museums Stuttgart: „Als Museum mit der größten Kamerun-Sammlung in Deutschland freuen wir uns über die großzügige Förderung dieses innovativen, Community-orientierten Forschungsvorhabens, das die Provenienzforschung in Deutschland mit der in Kamerun verbindet und das Wissen der kamerunischen Gesellschaften stark einbindet. So gehen wir einen neuen partnerschaftlichen Weg in der Aufarbeitung der Kolonialzeit, der auch Brücken für die Zukunft bauen möchte.“
Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, das das Projekt mit 60.000 Euro fördert: „Mit dem Projekt rücken wir die Kulturgüter aus Kamerun in den Mittelpunkt. Die enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsgesellschaften und die wissenschaftliche Forschung helfen uns, die kolonialgeschichtlichen Verknüpfungen zwischen Deutschland und Kamerun besser zu verstehen. Das Projekt schafft zudem die Grundlage für mögliche Restitutionen und einen partnerschaftlichen Dialog über unsere heutigen Beziehungen. Mein Dank gilt dem DZK sowie allen Beteiligten im Linden-Museum, in Deutschland, in Kamerun, für ihren hohen Einsatz, um dieses Projekt möglich zu machen.“
Elf deutsche Museen der Weltkulturen, Delegierte des Interministeriellen Komitees für die Rückführung illegal ausgeführter Kulturgüter sowie Vertreter:innen traditioneller Königshäuser aus Kamerun sprachen im „Dialogtreffen: Kamerun und Deutschland“ im Linden-Museum Stuttgart vom 14. bis 16. Januar 2024 über mögliche Wege der Rückgabe von Kulturgütern nach Kamerun sowie über eine nachhaltige Zusammenarbeit. Am Treffen nahmen von deutscher Seite Vertreter:innen der Museen aus Berlin, Bremen, Braunschweig, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München und Stuttgart teil. Im „Stuttgarter Communiqué“ wurden gemeinsame Absichten vereinbart.
Stuttgarter Communiqué (pdf)
Pressemitteilung Dialogtreffen Kamerun und Deutschland (pdf)
Mit Fühlbar hören öffnen wir neue Wege der kulturellen Teilhabe. Das Projekt verbindet Hören und Tasten zu einer inklusiven Museumserfahrung, die Barrieren reduziert und Sinne verbindet. In der Dauerausstellung Ozeanien – Kontinent der Inseln laden drei Stationen dazu ein, ausgewählte Objekte zu ertasten und über Audiotouren zu entdecken – eine Giebelmaske, ein traditionelles Tätowierwerkzeug und ein Māori-Versammlungshaus. Diese Objekte stehen für Themen, die weit über den musealen Kontext hinausweisen: Gemeinschaft, Identität und Schutz.
Das Besondere: Fühlbar hören wurde gemeinsam mit blinden und sehbehinderten Menschen sowie Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Ihre Erfahrungen, Ideen und Perspektiven prägten das Projekt von Anfang an. Unterstützt wurde das Museum dabei von den Inklusionsexpert:innen Matthias Nagel und Carolin Schütz sowie dem Studio finster3000, das Architektur, Game Design und digitale Technologien miteinander verbindet.
Gefördert von der Ferry-Porsche-Stiftung, steht Fühlbar hören für Innovation, Zusammenarbeit und einen klaren Perspektivwechsel: weg vom Entwickeln für, hin zum Gestalten mit den Menschen, für die Barrierearmut entscheidend ist.
Seit Oktober 2023 läuft das Promotionsprogramm „Promovieren im Museum: Die lokalen und globalen Dimensionen von Objekten in anthropologischen Museen in Baden-Württemberg heute“ (DIMA). DIMA ist ein innovatives Stipendienprogramm für Promotionen im Forschungsfeld „Museen und Sammlungen“. Das Programm finanziert drei Stipendien für Forschungen in den ethnografischen Sammlungen der Universität Tübingen und/oder des Linden-Museums Stuttgart. Die drei geförderten Promotionsvorhaben sind in den Disziplinen Sozial- und Kulturanthropologie, Historische und Kulturanthropologie sowie Geschichte verankert. Das Programm wird gemeinsam vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, dem Linden-Museum Stuttgart und der Universität Tübingen finanziert und bietet drei Stipendien mit einer Laufzeit von drei Jahren von Oktober 2023 bis September 2026.
Die drei aktuellen Stipendiatinnen sind Sophie Eckhardt, Katharina Nowak und Judith Zweck.
Sophie Eckhardts Projekt trägt den Arbeitstitel „Ausstellungsmachen im 21. Jahrhundert. Eine prozessbegleitende Forschung zu einer Ausstellung des Linden-Museums Stuttgart“. Es knüpft an aktuelle Debatten zur Neuverhandlung der Rolle und Relevanz ethnografischer Museen im 21. Jahrhundert an.
Katharina Nowak beschäftigt sich in ihrem Dissertationsprojekt „Die dekoloniale Wissensproduktion ethnografischer Sammlungen: Rethinking Museums“ mit ethnografischen Objekten, die während der Kolonialzeit aus den Inselstaaten des Pazifischen Ozeans nach Stuttgart und Tübingen gebracht wurden.
Judith Zwecks Dissertation mit dem Titel „Leerstellen im Museum: An- und Verkäufe von Museumsbeständen an den Kunsthandel in der Zeit von 1945 bis 1973 im Linden-Museum Stuttgart“ untersucht die Sammlungen des Linden-Museums, die in diesem Zeitraum erworben wurden, sowie die Beziehungen des Museums zu verschiedenen Kunsthändlern.
Das Programm wird geleitet von Prof. Dr. Gabriele Alex (Universität Tübingen) und Prof. Dr. Inés de Castro (Linden-Museum Stuttgart).
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Aufarbeitung kolonialen Erbes: Das Linden-Museum Stuttgart stellt sich seit vielen Jahren seiner kolonialen Vergangenheit. Bereits seit 2016 untersuchten Mitarbeiter:innen die Objekt-Sammlung des Linden-Museums aus Namibia. Mit dem Projekt With Namibia: Engaging the Past, Sharing the Future waren wir Partner der Namibia-Initiative des Landes Baden-Württemberg.
Das aus der Idee eines transnationalen Dialogs geborene mehrteilige Projekt beschäftigte sich mit der Aufarbeitung der Namibia-Sammlungen des Linden-Museums.
Im Rahmen des ersten Projektteils fanden mehrere Forschungs-Residencies durch Community-Vertreter:innen der Nama und Ovaherero statt. Zwischen April und Mai 2019 besuchten Nzila Marina Mubusisi vom National Museum of Namibia und Steven Hendrik Isaack von Heritage Watch das Linden-Museum. Es folgten zweiwöchige residencies im März 2020 durch Steven Isaack und Petrina Haigomas von Heritage Watch, von Usiel Seuakouje Kandjii von der Ovaherero Genocide Foundation sowie von Ebson Urbans Hiruke Ruuna Kaapama von der Maharero Royal Traditional Authority.
Während den Aufenthalten setzten sie sich mit der Entstehung, Bedeutung, Präsentation, wie auch einer möglichen Zukunft der Sammlungen am Linden-Museum auseinander.
Für den zweiten Projektteil fand eine zweiteilige Summer School vom 11. bis 23. Juli 2022 in Deutschland und vom 3. Bis 14. Oktober in Namibia statt. Hierbei konnten sich je zehn Studierende der Universität Tübingen und der University of Namibia (Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften) über einen Zeitraum von je zwei Wochen in Präsenz in Deutschland und Namibia sowie im Digitalen Raum austauschen. Geleitet und begleitet wurde die Summer School von Dr. Fiona Siegenthaler (Afrika-Referat Linden-Museum), Prof. Dr. Ines de Castro (Direktorin Linden-Museum), Dr. Goodman Gwasira (Senior Lecturer Geography, History and Environmental Studies, UNAM), Prof. Dr. Bernhard Grewe (Institut für Geschichtsdidaktik und Public History, Universität Tübingen), Dr. Martha Akawa-Shikuwa (Associate Dean, School of Humanities, Society & Development; Faculty of Education and Human Sciences, UNAM), Aaron Nambadi (Kurator Windhoek City Museum, Vorstandsmitglied der Museums Association of Namibia) sowie Dr. Johannes Grossmann (Privatdozent, Institut für Zeitgeschichte, Universität Tübingen).
Im Fokus der Kooperationsarbeit stand vor allem der Umgang mit Erinnerungskultur und Genese, Bedeutung und Präsentation der Sammlungen des Linden-Museums und des Owela Nationalmuseums. Das voneinander, miteinander und übereinander Lernen stand dabei im Zentrum des Austauschs der Studierenden – und soll auch weiter im Zentrum der gemeinsamen Arbeit stehen. Dieser intensive Dialog stellt einen wichtigen Baustein dar, um die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg und Namibia gemeinsam zu gestalten.
Im Nachgang der Summer School ist auch eine gemeinsame kostenlos zugängliche Publikation mit Beiträgen von Studierenden, Dozierenden und Gastreferent:innen erschienen, die Ergebnisse und Erfahrungen zusammenfasst. Sie kann über den folgenden Link als PDF-Datei heruntergeladen werden:
Publikation: With Namibia: Engaging the Past, Sharing the Future (pdf)
Mit der Namibia-Initiative stellt sich das Land Baden-Württemberg seiner historischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem deutschen Kolonialismus und erkennt das während dieser Zeit geschehene Unrecht an. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg fördert diese Aufarbeitung im Rahmen der Namibia-Initiative mit 2,25 Millionen Euro.
Nähere Informationen zur Namibia-Initiative des Landes Baden-Württemberg
Das Linden-Museum befindet sich, wie viele ethnologische Museen, im Wandel. In einer zunehmend diversen Gesellschaft müssen wir die gesellschaftliche Rolle und Relevanz ethnologischer Museen neu verhandeln. Die LABs lassen uns die Grundlage für eine Neuausrichtung experimentell erarbeiten. Das Arbeitsprinzip des Labors aufgreifend, entwickeln und erproben wir in acht LindenLABs neue Formen musealer Wissensproduktion, Vermittlung und Präsentation.
Das Projekt wird im Rahmen der Initiative für Ethnologische Sammlungen der Kulturstiftung des Bundes gefördert.
„Taking Care – Ethnographic and World Cultures Museums as Spaces of Care“: Das vierjährige EU-Kooperationsprojekt von 13 europäischen Partnern startete im Oktober 2019. Gemeinsam werden Zusammenhänge zwischen ethnografischen Sammlungen und Fragen zur Klimakrise sowie zum Anthropozän untersucht. Ein Fokus liegt auf Nachwirkungen der Kolonialismus in diesem Kontext.
Die Restaurierung eines Prachtkorans des persischen Meister-Kalligrafen Abd al-Qadir al-Husaini aus dem 16. Jahrhundert durch Diplom-Restauratorin Regina Schneller wurde von der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördert.
Die Eberhard Karls Universität Tübingen und das Linden-Museum Stuttgart untersuchten unter dem Titel „Schwieriges Erbe“ in einem zweijährigen Forschungsprojekt den museologischen und wissenschaftlichen Umgang mit kolonialzeitlichen Objekten in ethnologischen Museen.
Eine Kulturlandschaft als Kerngebiet für die Ausprägung materieller Kultur der islamischen Welt und ihre Verortung in Sammlungen und musealen Präsentationen: Forschungsprojekt der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz/Museum für Islamische Kunst und des Linden-Museums Stuttgart, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Forschung über intra- und transkulturelle Prozesse objektbasierten Wissensaustauschs in den Guyanas: Das Linden-Museum war Partner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekts unter Federführung der Abteilung für Altamerikanistik mit der Bonner Altamerika-Sammlung (Institut für Archäologie und Kulturanthropologie) der Rheinischen Universität Bonn.
Das Linden-Museum hatte von 1. April 2016 bis 31. März 2017 eine Stelle für Provenienzforschung eingerichtet, die sich mit Erwerbungen befasste, die zwischen 1933 und 1945 in die Museumsbestände kamen. Mit Fördermitteln des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart war es für Shammua Mohr möglich, 1082 Objekte auf ihre Herkunft zu untersuchen.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das Projekt „Die Kunstkammer der Herzöge von Württemberg. Erforschung von Bestand, Geschichte und Kontext“. Ein Großteil der ursprünglichen Sammlung befindet sich im Landesmuseum Württemberg. Weitere Objekte sind auf acht Institutionen verteilt, darunter ethnografische Objekte im Linden-Museum Stuttgart.